Im Frühjahr und Sommer feiern die meisten Innungen der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land (KHBL) die Lossprechungen ihrer Gesellinnen und Gesellen. Inklusive der Handwerk-Azubis, die ihre Prüfung im Winter ablegen, starten so in diesem Jahr 800 gut ausgebildete Fachkräfte in ihre Jobs. Grundsätzlich ist die KHBL mit diesen Zahlen zufrieden, doch an Herausforderungen für das Handwerk mangelt es nach wie vor nicht. Mit proaktiven Initiativen, Programmen und Maßnahmen arbeitet die KHBL daran.
Sie sind jedes Jahr die ersten: Schon im Februar feierten die Kraftfahrzeugmechatroniker aus Rhein-Berg, Oberberg und Leverkusen den Abschluss ihrer dreieinhalbjährigen Ausbildung. Insgesamt 110 junge Menschen – darunter drei Frauen – wurden vor rund 250 Gästen in einem feierlichen Ambiente im Autohaus Wiluda GmbH in Radevormwald von ihrer Ausbildung losgesprochen und damit in den Gesellenstand erhoben. Dass auch und vor allem die Welt der Mobilität im Wandel ist, machte die Moderation von Reiner Irlenbusch, Obermeister der Kraftfahrzeuginnung Bergisches Land, klar: „Mit eurer Ausbildung unterstützt ihr aktiv den Klimaschutz, indem ihr an modernen elektrischen Fahrzeugen arbeitet. Ihr kennt euch aus mit Verbrennern, Diesel, Hybrid und Elektro. Ihr habt also vielfältige und weitreichende Möglichkeiten. Macht was daraus!“
Wie sehr sich die Inhalte der Handwerksberufe in einigen Innungen verändert haben, macht auch das Gewerk der zweiten Lossprechungsfeier des Jahres deutlich: Ende Februar bekamen auf :metabolon in Lindlar 71 neue Fachkräfte (zwei Frauen) im Elektrohandwerk ihre Gesellenbriefe. Der Obermeister der Elektroinnung Bergisches Land Björn Rose nannte dabei die innovativen Tätigkeitsfelder, für die die neuen Fachkräfte während ihrer Ausbildungszeit qualifiziert wurden: „Der Anschluss von Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, E-Mobilität, Netzmanagement, Windkraft, um nur ein paar Felder zu nennen, ist ohne Sie als ausgelernte Fachkräfte nicht zu schaffen.“
Faszination neue Technologien
„Das Handwerk hat sich in vielen Bereichen total verändert“, berichtet Marcus Otto, seit 26 Jahren Hauptgeschäftsführer der KHBL, von seiner alltäglichen Arbeit. „Natürlich muss man im Elektrohandwerk noch Leitungen verlegen, aber es geht heute im Wesentlichen um vernetzte Haustechnik, um die Programmierung von Steuerungsanlagen genauso wie bei Sanitär, Heizung und Klima. Auch hier müssen automatisch gesteuerte, hochkomplexe Anlagen programmiert werden, das ist ein hochtechnologischer Beruf geworden.“ Smart Home, Wallboxen, Wärmepumpen und Photovoltaik: Viele Handwerksberufe haben sich zu Jobs entwickelt, bei denen Qualifikationen im Bereich neuartiger, faszinierender Technologien notwendig sind. Und damit wirbt die KHBL auch um noch mehr junge Menschen, die mit einer Ausbildung im Handwerk den Grundstein für ihren Berufsweg legen. „Wir zeigen auf Ausbildungsmessen den jungen Menschen, aber auch Eltern und Lehrern, wie vielfältig, hochkomplex und faszinierend die Berufe heute sind“, sagt Otto. Auch die Lehrer und vor allem die Berufswahlkoordinatoren an den Schulen sind Adressaten solcher Vorführungen. Dabei spielt die Schulform heute eine untergeordnete Rolle. Otto: „Früher hatten wir bei Abiturienten eine Quote von sieben bis acht Prozent, heute machen über 25 Prozent nach ihrem Abitur eine Lehre im Handwerk.“
Handwerk ist keine Einbahnstraße
Die Perspektiven für die Gesellinnen und Gesellen sind heute vielfältiger denn je. „Wir haben mittlerweile ein durchlässiges Schul- und auch Ausbildungssystem in Deutschland“, betont Otto. Nach der Ausbildung kann man den Techniker machen, den Meister oder auch einen zusätzlichen kaufmännischen Abschluss. Auch der Weg an Universitäten und Fachhochschulen steht den Handwerkerinnen und Handwerkern offen. Ein Studium zum Beispiel der Antriebstechnik an einer Technischen Hochschule (Fachhochschule) ist als ausgebildeter KfZ-Mechatroniker auch ohne Abitur möglich. Und nach einer erfolgreich abgeschlossenen Meisterprüfung können Handwerker mit dem sogenannten Meisterstudium ohne weitere Eignungsprüfung fast alle Studiengänge an Universitäten und Hochschulen beginnen. Ausgeschlossen sind lediglich Humanmedizin und Pharmakologie.
Und andersherum funktioniert es auch. „Im letzten Halbjahr hatten wir hier in der Region zwei Medizinstudenten, die Lehren im Bereich Sanitär und Elektro angefangen haben, das, finde ich, sind schöne Geschichten“, so Otto.
Noch freie Plätze
Das Handwerk bietet also ganz schön viel, trotzdem gibt es für die KHBL noch viel zu tun. „Vor allem bei den großen Gewerken wie KfZ, Sanitär, Tischler, Elektro und Metall haben wir gute Zahlen, stabil oder wachsend, aber schwieriger wird es im Friseurhandwerk oder in den Nahrungsmittelhandwerken.“ Ende Juli lagen der KHBL noch 168 Ausbildungsplätze in Rhein-Berg, Oberberg und Leverkusen vor, die noch zu besetzen sind. „Werbung zu machen für das Handwerk ist ganz wichtig, die Berufe müssen wieder in die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen kommen, daran arbeiten wir“, sagt Otto.
Im Friseurhandwerk sind Anfang Juli 26 Junggesellinnen und 15 Junggesellen auf :metabolon in Lindlar losgesprochen worden, wenige Tage später 28 Bäcker- und Fleischer-Gesellinnen und -Gesellen sowie Fachverkäuferinnen und -verkäufer im Bäckerhandwerk und im Fleischerhandwerk. „Macht euren Beruf zu eurer Berufung“, riet der Obermeister der Bäckerinnung Peter Lob den frischgebackenen Azubis. „Euer Weg im Handwerk fängt gerade erst an. Und dafür wünschen wir euch viel Erfolg.“
Beruf gleich Berufung
Den Beruf zur Berufung machen, den Spaß an der Arbeit betonte auch Kreishandwerkermeister Willi Reitz bei der Lossprechungsfeier der Innungen Baugewerke und Dachdecker, als er Anfang Juli im Bauzentrum Blechmann in Wipperfürth Karl Lagerfeld zitierte: „Alles, was Spaß macht, ist Beruf. Alles, was keinen Spaß macht, ist Arbeit.“ Wie sehr auch schon die Werte der Generation Z Einzug in das Handwerk gehalten haben, wird deutlich, wenn man sich die Holzbauberufe anschaut. Den Wunsch, etwas mit Sinn zu schaffen, etwas mit „Purpose“, erfüllen sich viele junge Menschen als Zimmerer oder Tischler. „Die jungen Menschen wollen etwas Nachhaltiges, Wertvolles schaffen und da steht Holz im Mittelpunkt.“ Nachhaltig und klimafreundlich gebaute Häuser oder wertbeständige Möbel zu bauen oder zu konstruieren findet großen Zuspruch bei der jungen Generation.
Die Innungen
- Bäcker
- Baugewerk
- Dachdecker
- Elektro
- Fleischer
- Friseur
- Informationstechnik
- Kraftfahrzeuge
- Maler und Lackierer
- Metallhandwerk
- Raumausstatter und Bekleidung
- Sanitär- und Haustechnik
- Tischler
Haus der Wirtschaft
Am 15. August wird das neue Haus der Wirtschaft fertig sein, am 1. September können dann die Büros bezogen werden. Neben dem Gebäude der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land (KHBL) in Bergisch Gladbach-Schildgen gibt es dann einen neuen Anlaufpunkt für Handwerk, Handel und, das ist neu, Gewerbe. An dem Servicestandort arbeiten Steuerberaterinnen und -berater der KHBL Steuerberatungsgesellschaft, Berater der KHBL Service- und Wirtschaftsgesellschaft, hier ist der Sitz des Unternehmensverbandes Bergisches Land e. V. und des Fördervereins Bildung der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land e. V. Es gibt Ansprechpartner für Arbeitsmedizin und -sicherheit und hier arbeitet die Dienstleistungs-GmbH der Kreishandwerkerschaft für Datenschutz, Compliance und Hinweisgeberschutz. Außerdem ziehen die Signal Iduna und die IKK classic ein. Büros gibt es auch für die Initiative Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach ILA GL. Insgesamt arbeiten hier zukünftig 60 Menschen.
Im April 2023 legte man hier den Grundstein für den Bau, etwas über 1.000 Quadratmeter reine Büroflächen umfasst das neue Gebäude. Die Kosten (rund sieben Millionen brutto) entsprechen ungefähr dem Betrag, mit dem man 2019 kalkulatorisch in das Projekt gestartet war. Finanziert hat die KHBL den Bau aus Eigenkapital, von der KfW-Bank gab es Förderungen für energieeffiziente Gebäude. Architektonisch fügt sich der Bau sehr gut an das schon vorhandene Gebäude an, unter dem auf Stelzen stehenden Neubau wird es eine Tiefgarage (mit E-Lademöglichkeiten) sowie Parkplätze auf normaler Ebene geben. Verbunden sind beide Gebäude auf allen Etagen über Brücken miteinander.
Kurzinfos
Gründung: 1873
(als Meisterverein
Bergisch Gladbach)
Hauptgeschäftsführer:
Marcus Otto
Die Kreishandwerkerschaft
Bergisches Land (KHBL) ist zuständig für den Rheinisch-Bergischen und den Oberbergischen Kreis sowie für die Stadt Leverkusen. In diesem Gebiet arbeiten rund 50.000 Handwerker, die etwa 5.000.000.000 Euro Jahresumsatz in dieser Region erwirtschaften. Die KHBL umfasst dreizehn Innungen, die die jeweiligen Interessen der Branche vertreten. Die KHBL ist Ansprechpartner für alle unternehmerischen oder rechtlichen Fragen der Handwerker und vertritt deren Interessen nach außen.