Im Oktober 2021 beschloss der Rat der Stadt Bergisch Gladbach, einen Think Tank, eine Denk-Fabrik, zu installieren, um die Stadt insgesamt digital besser aufzustellen. Nach dem zweiten Meeting von Unternehmern, Wissenschaftlern, Politik und Verwaltung wird deutlich: Schon die Definition der Aufgabe ist schwierig.
Was ist das Ziel des Think Tanks mit dem Namen „Digitale Papierstadt“?
In der vom Rat angenommenen Beschlussvorlage der Stadtverwaltung heißt es unter anderem: „Zielsetzung ist es, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Grundlage für eine bewusste, nachhaltige und zukunftsorientierte aber gleichzeitig leistbare digitale Entwicklung der Gesamtstadt geschaffen werden kann. Aktuell gibt es keine Plattform für einen Austausch zur Willensbildung, Ideenentwicklung und Verständigung einer gemeinsamen Zielrichtung. Auch wurden in der Stadtgesellschaft vorhandene vielfältige Expertisen bis dato nicht genutzt.“
Wie weit ist der Think Tank damit?
Nach den ersten beiden Meetings kann man sagen: Der Think Tank arbeitet ambitioniert, steht aber noch am Anfang. Marcel Böttcher, Chief Digital Officer der Stadt: „Die ersten beiden Treffen sind sehr positiv verlaufen und wir konnten eine sehr kompetente, engagierte Gruppe von Experten gewinnen, die sich definitiv einbringen will. Jetzt geht es auch darum, strategische Leitplanken zu bauen und konkrete Projekte in die Umsetzung zu bringen.“
Was sind die nächsten Schritte?
Es muss ein in der Stadtgesellschaft akzeptierter Konsens gefunden werden über die Definition, was Digitalisierung in Bergisch Gladbach bedeuten kann. Beim zweiten Meeting war als Gast der Digital Chief Officer der Stadt Bonn, Friedrich Fuß, dabei. Die Bundesstadt belegt in mehreren Rankings bezüglich der digitalen Entwicklung deutschlandweit seit Jahren kontinuierlich eine der vorderen Positionen. Er sagt, wie eine Stadtgesellschaft die digitale Transformation angeht und zu einer „Smart City“ wird, müsse sie selbst entscheiden. Im Think Tank Bergisch Gladbach will man diese Entscheidung von Beginn an gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Vereinen, Verbänden und Institutionen treffen. Geplant ist hierzu zum Beispiel eine Workshop-Session, bei der in offener Form Ziele und deren Umsetzungsmöglichkeiten formuliert werden sollen. Marcel Böttcher: „Auch wenn der Aufschlag zum Think Tank von der Stadt kam, ist es uns wichtig, dass wir in diesem Format über den Verwaltungsapparat hinausdenken.“
Wer ist bei den Meetings dabei?
Neben Marcel Böttcher ist von der Stadt Thore Eggert kontinuierlich dabei. Er ist nicht nur Kämmerer der Stadt, sondern auch für Digitalisierung zuständig. Von der Politik sind Vertreter aller im Rat sitzenden Fraktionen mit dabei. Aus der Wirtschaft geben IT-Unternehmer ihre Expertise in den Think Tank, aus der Wissenschaft IT- und Digitalisierungsexperten der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach (FHDW).
Was sagen die Teilnehmer zu ihrer Motivation und der Arbeit?
Janick Ast, Geschäftsführer von DoThingsDigital, sagt: „Ich möchte mich mit meiner Expertise und meinen Erfahrungen einbringen und sagen, was Sinn machen könnte. Und ich bringe mich gerne auch mit unkomplizierten Lösungen ein und berate gerne gemeinsam darüber, was zur Verbesserung des Digitalisierungsgrades gefragt ist.“
Ralph Schiefer, Geschäftsführer TTC: „Ich bin Kaufmann und muss mich erst einmal daran gewöhnen, wie bestimmte politische Prozesse funktionieren. Wir müssen einen Weg finden, um zu schauen, wo wir hinwollen. Am Ende hängt es davon ab: Wo kommt das Geld her?“
Martin Mahler, Mitglied der Grünen und Inhaber des Unternehmens Digitalisierungslotsen: „Ich will etwas tun für meine Stadt. Man sollte den Bürger als wichtigstes Kriterium nutzen und Dinge angehen, die schnell umsetzbar sind – wie zum Beispiel digitale Ampel- oder Parkplatzsteuerungen.“
FDP-Fraktionsvorsitzender Jörg Krell: „Marcel Böttcher hat ja vor zwei Jahren mit der Digitalisierungsstrategie in der Verwaltung begonnen, wir sind da als Stadt ein late follower. Jetzt bin ich sehr ermutigt, dass man sich im Think Tank zusammenfindet, um zum einen für eine Vision für die Digitale Papierstadt zu arbeiten und zum andern, dass man kurzfristig konkrete Projekte angeht, um das Thema anfassbarer zu machen.“
Sind schon konkrete Projekte in Planung?
Nicht direkt. Dozent Peter Tutt von der FHDW stellte allerdings das Ergebnis einer Projektarbeit von Studierenden der Wirtschaftsinformatik vor: ein Hochwasserwarnsystem, das über einen Sensor den Pegel des Strunder Baches misst und über diverse Cloud-Systeme zum Beispiel Warn-Messages an bedrohte Anwohner verschicken kann. Unabhängig von der Arbeit des Think Tanks kam das System bei der Stadt sehr gut an: „Ich finde es toll, dass es hier diese reale Fragestellung gegeben hat“, sagt Eggert, der als Leiter des SAE (Stab für außergewöhnliche Ereignisse) auch für die Stadt zuständig ist, wenn es zu Katastrophen wie dem Hochwasser im Juli 2021 kommt. „Wir werden das mitnehmen, um jetzt zu schauen, wie wir das im städtischen Umfeld für das Thema Feuerwehr und Abwasserwerk nutzen können als praktikable Lösung für Stadt und Stadtgesellschaft.“