Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer
verdienten im Jahr 2022 im Schnitt 7 Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Ganz allgemein haben Frauen im Jahr 2022 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer (Statistisches Bundesamt, PM Nr. 036 vom 30. Januar 2023).
Diesem Thema hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. Februar 2023 angenommen. Die klagende Angestellte erhielt rund 1.000 Euro brutto weniger als ein männlicher Kollege für die gleiche Tätigkeit. Das BAG gab der Frau Recht, da der Arbeitgeber sie aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt habe und ihr das gleiche Grundentgelt schulde, wie dem männlichen Kollegen.
Die Frau hatte ein Indiz für einen Benachteiligungsgrund nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dargelegt, sodass der Arbeitgeber nun verpflichtet war zu beweisen, dass er nicht wegen des Geschlechts benachteiligt hatte. Das ist ihm nicht gelungen.
Der Arbeitgeber hatte pauschal damit argumentiert, dass aufgrund eines drohenden Personalengpasses unbedingt jemand eingestellt werden musste und man auf den Mann angewiesen war, der aber 1.000 Euro mehr Gehalt gefordert hatte. Er habe daher auch besser verhandelt.
Beide Argumente akzeptierte das BAG nicht. Zwar kann die Arbeitsmarktlage ein Argument sein. Dafür hätte aber dargelegt und bewiesen werden müssen, dass das höhere Gehalt wegen der Arbeitsmarktlage erforderlich gewesen sei, um die offene Stelle zu besetzen, dass diese Stelle sonst nicht besetzt worden wäre und dass es keine anderen vergleichbaren Bewerber gegeben hat, die zu dem geringeren Gehalt die Stelle angetreten hätten. Der Dokumentationsaufwand ist hier enorm. Dass der Mann gegebenfalls besser verhandelt habe, genügt für sich genommen ebenfalls nicht. Denn es kann gerade nicht ausgeschlossen werden, dass das Geschlecht mitursächlich für die Vereinbarung geworden ist.
Als sichere Rechtfertigung für eine unterschiedliche Vergütung in die eine, wie auch in die andere Richtung bleibt daher nur, dass eine bessere Qualifikation oder eine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Beides wird von BAG und EuGH akzeptiert, um eine ungleiche Bezahlung der Geschlechter zu rechtfertigen.
Ich halte das Argument der Berufserfahrung angesichts nach wie vor häufigerer schwangerschaftsbedingter Unterbrechungen der Erwerbshistorie bei Frauen für schwierig. Sicherstes Abgrenzungskriterium ist m. E. die Qualifikation.