Ein in der Praxis häufiger Vorgang: Der/die Gesellschafter- Geschäftsführer/in einer GmbH mit einem Gesellschaftsanteil von mehr als 50 Prozent überträgt die Anteile an die nachfolgende Generation und rutscht dabei unter 50 Prozent. Was ist aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht zu beachten?
In inzwischen gefestigter Rechtsprechung wiederholt das Bundessozialgericht gebetsmühlenartig, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig ist, sondern, um nicht als abhängig beschäftigt angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen muss, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können.
Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende („echte“ oder „qualifizierte“), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist (zuletzt zum Beispiel: Urteil vom 13. Dezember 2022, Az. B 12 R 3/21 R).
Der Unterschied zwischen der Abrechnung der Bezüge einer selbstständigen und einer abhängigen Tätigkeit liegt bei in der Regel rund 18.000 Euro Sozialversicherungsbeiträgen in die gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung. Wer als GmbH irrtümlich keine Beiträge zahlt, obwohl Beitragspflicht besteht, muss – im worst case – über vier Jahre Beiträge nachentrichten. Das kann existenzbedrohend sein.
Wenn also die Gesellschafter-Geschäftsführerin mit mehr als 50 Prozent Kapitalbeteiligung durch Verkauf/Übertragung der Anteile unter diese Grenze rutscht, entsteht die Beitragspflicht, wenn nicht ausnahmsweise im Gesellschaftsvertrag eine umfassende Sperrminorität geregelt ist.
Auf Erwerberseite muss ebenso beachtet werden, dass nur dann eine selbstständige Tätigkeit gegeben ist, wenn mindestens 50 Prozent der Anteile erworben werden – und – eine Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt. Erfolgt keine Bestellung zum Geschäftsführer, genügt allein ein Anteil von 50 Prozent nicht für eine Selbstständigkeit des mitarbeitenden Gesellschafters.
Ein – mit gebotener Zurückhaltung einzusetzendes – mögliches Gestaltungsmittel ist die Sperrminorität, also die Möglichkeit eines Minderheitsgesellschafters, ihm missliebige Beschlüsse verhindern zu können.
Ein besonderer Appell ist an die Steuerberater/in zu richten, die häufig erste/r Ansprechpartner/in in solchen Vorgängen sind. Die Beachtung einer möglichen Sozialversicherungspflicht tätiger Gesellschafter(-Geschäftsführer) gehört zum Pflichtprogramm. Der Steuerberater muss darauf hinweisen, dass die Sozialversicherungspflicht durch einen Fachanwalt für Sozialrecht geklärt werden sollte, um dem existenzbedrohenden Risiko einer hohen Beitragsnachzahlung vorzubeugen.