Kein alkoholisches Getränk hat in den vergangenen Jahrzehnten so einen gesellschaftlichen Aufstieg erlebt wie der Gin. Kennerinnen und Kenner des Schnapses schätzen vor
allem die Craft Gins, die in handwerklicher Produktionsweise und mit viel Passion destilliert
und abgefüllt werden.
Seine Historie klingt gar nicht so nobel. In der ersten Hälfe des 18. Jahrhunderts war in England durch eine Überproduktion von Weizen der häufig minderwertige Gin so billig, dass vor allem die ärmere Bevölkerung so viel trank, dass die Regierung 1751 mit Schanklizenzen und Steuererhöhungen gegensteuern musste. Sie befürchtete massive Gesundheitsschäden bei Bürgerinnen und Bürgern.
2023 ist Gin ein alkoholisches Getränk, das einen wohl unvergleichlichen Aufstieg hinter sich hat und in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele Menschen zu echten Liebhaberinnen und Liebhabern gemacht hat. In vielen Ländern der Erde entstanden kleine Destillerien. Mit ausgefallenen Zutaten und deren Zusammenstellungen schufen und schaffen die Destillateure immer wieder neue Aromanoten. In Deutschland ist es der Monkey 47, der den deutschen Gin richtig populär machte. 2008 startete der aus 47 Botanicals im Schwarzwald destillierte Gin seinen Siegeszug durch Bars und Spirituosenshops.
„Ab da ging es steil bergauf mit der Gin-Kultur in Deutschland und der Monkey 47 war auch bei uns beiden der Ursprung“, sagt Claudia Olschewski. Die Frau aus Leichlingen betreibt mit Chris Rüdiger seit drei Jahren einen Online-Shop (www.glocalgin.de) mit exklusiven und viel Liebe hergestellten Gins. „Wir achten darauf, dass unsere Gins interessante Geschmacksnoten und außergewöhnliche Geschichten haben.“ Bei einem Gin-Tasting Anfang 2020 während eines Südafrika-Urlaubs fing alles an, auf der anschließenden sechsstündigen Autofahrt durch die Wüste schmiedeten sie die Pläne für ihr neues Unternehmen.
Heute haben die beiden zum Beispiel den Knysna Classic aus Südafrika im Programm. Er enthält als Botanical die dort heimische Num Num-Beere. Aus China importieren sie mit Shanghai Dry Gin den ersten mit chinesischem Wacholder und einer pfeffrigen Szechuan-Note. Der österreichische The Good Gin ist Bio und hat mit Ashwagandha ein ayurvedisches Heilmittel als Botanical.
Aus den Niederlanden kommt mit dem Solar Gin ein klimaneutral destilliertes Produkt. In China nimmt man den Gin auch schon mal aus Tassen und mit Grünem Tee als Filler. Handgefertigt ist die Flasche des Solaro (Italien).
Chinesische Barkeeper wählen auch schon mal Grünen Tee als Filler, hierzulande nimmt man überwiegend Tonic. 80 Prozent, so schätzt Olschewski, trinken den Gin so. Aber welches nimmt man? Es gibt viele Sorten und man kann für jeden Gin das geeignete suchen. Olschewski rät aber ab, hieraus eine Wissenschaft zu machen: „In jedem gut sortierten Supermarkt gibt es ein Indian Tonic mit Chinin. Das passt gut.“ Guter Gin geht auch immer pur, ist aber natürlich kräftig. Die meisten Menschen kennen für Gin das klassische Longdrink-Glas. Wer aber das Glas mit richtig viel Garnish schmücken will, greift lieber zum Ballonglas. Da ist mehr Platz. Ein No-Go gibt es für
Olschewski auch: „Einen Strohhalm würde ich nicht empfehlen.“
Durch die gewachsene Popularität des Gins sieht man auch zunehmend Premiumprodukte auf dem Markt – mit entsprechenden Preisen. „Nach oben gibt es kein Ende“, sagt die Leichlingerin, deren teuerster der Solaro Capri Gin aus Italien ist. 130 Euro kostet der. Dafür ist die Flasche aber auch handgemacht und -bemalt.
Muss man wissen:
Ballonglas
Alternative zum standardmäßigen Longdrink-Glas
Botanicals
Die Inhaltsstoffe, aus denen Gin destilliert wird
Filler
Damit wird er zum Longdrink, meistens Indian Tonic
Garnish
Schmuck am Glasrand, häufig aus den Botanicals
Monkey 47
Einer der ersten populären deutschen Crafted Gins
Wacholder
Das essenzielle Botanical, ist in jedem Gin