Ein Tag nach Putins Anerkennung der Unabhängigkeit der von Separatisten besetzten Gebiete und zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine veröffentlichten die sieben Rheinland-IHKs das Konjunkturbarometer Rheinland für den Jahresbeginn 2022. Pressesprecherin Antje Mahn: „Der Befragungszeitraum bis Ende Januar kann die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine nicht widerspiegeln.“ Hier ein Überblick:
Wie sehen die Unternehmen im Rheinland die Lage?
Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf: Die Kernbotschaft des IHK-Konjunkturberichts Rheinland für das Jahr 2022 lautet: Die wirtschaftliche Entwicklung ist seit Herbst letzten Jahres gebremst – wegen Corona, wegen der Energie- und Rohstoffpreise und Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten. Gründe dafür sind die geopolitischen Rahmenbedingungen, die erheblich schwieriger geworden sind. Außerdem ist die Versorgung mit Rohstoffen und Energie unsicherer geworden und es gab weitere Preissteigerungen. Nicht zuletzt haben die Corona-Beschränkungen seit Herbst letzten Jahres das Wirtschaftsleben deutlich behindert. Ihre Konjunkturerwartungen für das Jahr 2022 hat die Wirtschaft deutlicher zurückgenommen“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer weiter. Der entsprechende Indexwert ist um mehr als die Hälfte auf nur noch knapp positive 6,5 Punkte geschrumpft.
„Lageindikator und Erwartungsindikator sind seit Herbst zurückgegangen, bleiben aber in einem positiven Bereich. Das Geschäftsklima verläuft im rechnerischen Mittel und trifft auf unsere Kernaussage zu: Es ist zwar zurückgegangen, aber noch im positiven Bereich. Die geäußerten Wirtschaftserwartungen im Herbst waren sehr positiv, haben sich allerdings zum Jahresende hin nicht in dieser Form fortsetzen können. Allerdings ist der Rückgang nicht so stark, dass er in den negativen Bereich geht.“
Was sind konkrete Gründe für die Ergebnisse?
Berghausen: „Probleme verursacht dabei weniger die Nachfrageseite. Im Gegenteil: Produkte und Dienstleistungen aus dem Rheinland fragen die Kunden aus dem In- und Ausland weiterhin rege nach.“ Während die konsumnahe Sparte unter den flauen Geschäften der Einzelhändler leidet, sind Gastronomen und Hoteliers seit Herbst durch die verschärften Corona-Auflagen erneut ausgebremst. IT- und Beratungsbranche äußern sich dagegen sehr zufrieden. 38 Prozent der insgesamt beteiligten Betriebe bezeichnen ihre aktuelle Geschäftslage als gut (zuvor 40 Prozent). Der Anteil schlechter Lageurteile ist auch nur um drei Punkte auf 18 Prozent gestiegen. Der somit leicht rückläufige Lageindex bleibt mit 21 Punkten deutlich positiv. Überdurchschnittlich positive Stimmung herrscht in den meisten Industriebranchen, auch wenn sie ihre Lage teils weniger gut einschätzen als vor einem halben Jahr. Die Nachfrage im Baugewerbe zeigt sich weitgehend unbeeindruckt von Preissteigerungen, fehlenden Vorprodukten und Personalmangel. Der produktionsverbindende Großhandel profitiert von der Industrie.
Wie war die Beteiligung an den Umfragen?
Sehr gut. Der Mitwirkungsgrad der Unternehmen an der Befragung durch die sieben IHKs im Rheinland war diesmal besonders hoch. Berghausen: „Unsere Umfrage selbst, der Rheinlandbericht, resultiert aus den aktuellen Umfragen der sieben Rheinland-IHKs. Die etwa 3.100 Unternehmen, die uns unsere Einschätzungen zur Verfügung gestellt haben, ermöglichen ein wirklich valides Ergebnis, statistisch fundiert und kann über die große Anzahl auch Aussagen zu einzelnen Branchen ermöglichen.“
Gibt es denn branchenspezifische Unterschiede?
Eindeutig: Ja. Die Spanne bei den Erwartungen ist in den einzelnen Branchen beträchtlich. Sie reicht von plus 34 Punkten in der IT-Branche bis zu minus einem Punkt im Gastgewerbe. Im Einzelhandel sind es sogar minus sieben Punkte. Gastro und Handel befinden sich durch Corona seit Längerem in einer schwierigen Lage. Große Sorgen bereitet der Wirtschaft insgesamt auch die weitere Entwicklung bei den Energie- und Rohstoffpreisen. Berghausen: „67 Prozent aller Betriebe sehen auf diesem Feld ein großes Konjunkturrisiko. Bei den Industriebetrieben sind es sogar 90 Prozent.“ Das sind neue Negativ-Höchstwerte.
Und die Lage auf dem Arbeitsmarkt?
Der Arbeitsmarkt ist insgesamt bislang sehr gut durch die Coronakrise gekommen und mittlerweile wieder im Aufwärtstrend. Trotzdem wird das Instrument der Kurzarbeit noch häufig genutzt. Gleichzeitig steigen die Beschäftigtenzahlen. Auch die Personalpläne der Betriebe im Rheinland sind trotz der großen Konjunkturrisiken erneut positiv.
Der Saldo zwischen den Betriebsmeldungen über positive und über negative Beschäftigungspläne liegt mit zwölf Prozentpunkten nur um drei Punkte unter seinem Wert im letzten Herbst. In der chemischen Industrie und in den IT-Branchen überwiegen die Expansionspläne am deutlichsten. „Das Gastgewerbe aber hat seine ursprünglichen Einstellungspläne für dieses Jahr angesichts seines coronabedingten Rückschlags aufgegeben“, so Berghausen abschließend.
Beitragsbild: Olaf Nickel