Ein innovatives, durch neue Technologien angereichertes Ausbildungskonzept, ist ein gutes Instrument, um motivierte Azubis für ein Unternehmen zu gewinnen. Virtual und Augmented Reality sind zwei solcher Technologien, die sich zum Beispiel hervorragend eignen, um komplexe physikalische oder chemische Prozesse visualisiert zu vermitteln. Aber auch bei Soft Skills sind VR und AR einsetzbar.
In einer Online-Dialog-Veranstaltung hatte die DIHK, die Bildungsgesellschaft der Industrie- und Handelskammern, im Juni Prof. Dr. Wolfgang Prinz und Timon Vielhaber zu Gast. Prinz ist stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin. Er beschäftigt sich unter anderem mit innovativen technologieunterstützten Lernsystemen. Vielhaber ist Gründer und CEO der Kölner World of VR GmbH, die Virtual- und Augmented-Reality-Lösungen für Unternehmen entwickelt und vertreibt – auch im Ausbildungsbereich. Moderiert von der Journalistin Tanja Samrotzki erklärten die beiden die Möglichkeiten von AR und VR in der Ausbildung.
Für welche Inhalte sind VR und AR in der Ausbildung und der Lehre sinnvoll?
Auf jeden Fall bei komplexen Themen, bei Dingen, die ohne Visualisierung schwer erklärbar sind. Physikalische oder chemische Prozesse können durch VR und AR sichtbar gemacht werden – zum Beispiel die Strömungsgeschwindigkeit innerhalb einer Maschine. Den Effekt auf die Strömungen durch die Veränderung von Variablen kann man ebenfalls sichtbar machen. Das gilt auch für Lichtwellen oder chemische Reaktionen.
Dr. Wolfgang Prinz: „Ein gutes Beispiel ist Magnetismus. Wie wird Magnetismus normalerweise erklärt? Man nimmt ein Blatt Papier und streut ein paar Metallspäne darauf. Man legt einen Magneten darunter und schon fangen die Späne an, sich auszurichten. Wir machen die Magnetfelder indirekt sichtbar. Über Augmented Reality brauchen wir keinen Magneten mehr und keine Metallspäne. Oder wenn wir an Elektrik denken: Um zu zeigen, wie fließt eigentlich Strom. Das können wir sichtbar machen. Das erleben wir im Unterricht doch eigentlich immer sehr trocken, das entnehmen wir Büchern mit Formeln und Grafiken. Wir können es nicht plastisch machen, wir können es nicht erfahren. Mit Hilfe von Virtual Reality können wir es erfahrbar machen und ich kann Variablen verändern und sehe dabei die Effekte. Dadurch lerne ich viel schneller, als wenn ich das Ganze nur theoretisch versuche zu verstehen.“
Welche Vorteile hat das Lernen mit VR und AR?
Phänomene sind plastisch erlebbar und prägen sich so besser ein. Außerdem ist das Lernverfahren interaktiv und das motiviert, die Dinge zu lernen, die man gerade wissen will.
Dr. Wolfgang Prinz: „Man lernt selbstbestimmt. Es ist nicht wie bei einem Buch, das man linear abarbeitet oder einem Film, den man sich hintereinander anschaut. Das ist ganz entscheidend: Dass man hier wirklich nach Bedarf lernt, es ist nicht vorgegeben und es spricht die eigene Neugierde an.“
Sind die Technologien auch für Soft Skills geeignet?
Ja. World of VR setzt zum Beispiel VR Brillen beim Coaching von Führungspersonal ein. In zwei virtuell nachgestellten Situationen erleben Vertriebsmitarbeiter zum Beispiel, welche Auswirkungen die Gefühlssituation des Mitarbeiters bei einer Anweisung durch den Chef hat. In Situation 1 ist der Vorgesetzte dem Mitarbeiter zugewandt und freundlich, in Situation 2 unfreundlich, abweisend und herrisch.
Timon Vielhaber: „Man merkt es schon an der Köpersprache: Der Chef hat sich hinter seinem Schreibtisch verbarrikadiert, hat eine etwas aggressive Stimmung und zeigt immer mit dem Finger auf mich und ich fühle mich dabei einfach nicht gut. Und genau das zu erleben, sich in die Situation zu versetzen, wie fühlt man sich, wenn man so von einem Chef angesprochen wird, hilft, das in Zukunft zu vermeiden.“
Was ist der Unterschied von AR und VR?
Mit einer Virtual Reality Brille kann man sich komplett in andere Welten begeben, Augmented Reality reichert die Realität mit Zusatzdaten an. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist das Game Pokemon Go, bei dem virtuell versteckte Fantasiewesen über ein mobiles Endgerät gefangen werden. In der Ausbildung und der Lehre wird beides eingesetzt.
Ersetzen die Technologien die klassischen Ausbildungsmethoden?
Eher nicht. Sie sind eine Ergänzung.
Timon Vielhaber: „Es gibt Inhalte, die eignen sich super dafür und die werden in Zukunft auch nur noch auf diesen Brillen passieren. Es gibt aber genauso gut Inhalte, für die reicht ein Text oder ein Schaubild, zum Beispiel wenn es um sehr abstrakte Dinge geht. Oder Dinge, die einfach schwierig sind, umzusetzen in einem visualisierten Szenario. Es ist eine Ergänzung im Portfolio eines Ausbilders.“
Wie geht ein Unternehmer vor, der VR und AR einsetzen will?
Dr. Wolfgang Prinz: „Man kann zunächst einmal damit beginnen, dass man in einem Workshop erfährt, wie diese Technologie für das eigene Unternehmen einsetzbar ist. Wir und auch World of VR bieten dafür Experience-Workshops an. Da bekommt man einen Einblick in die verschiedenen Brillen, in die verschiedene Hardware. Man sieht an verschiedenen Anwendungsszenarien, wie das auf einen selbst wirkt. Der nächste Schritt ist zu schauen, welchen Bedarf habe ich und diesen Bedarf zu artikulieren und zu schauen, welche Technologien passen dazu und mit welcher Hardware kann ich das umsetzen. Man muss es ausprobieren und auch an der Belegschaft testen und sehen, welchen Lernerfolg es gebracht hat.“
Ist es möglich, VR und AR selbst zu programmieren?
Dr. Wolfgang Prinz: „Das ist im Moment noch schwierig. Es gibt eine Hand voll Werkzeuge, aber man braucht eine gewisse Ausbildung, um das gut zu gestalten. Da gehört Didaktik zu und 3-D-Design, sodass man sagen kann, wenn man professionell Lernmaterial aufbauen möchte, sollte man sich an ein Unternehmen wenden, das damit Erfahrung hat.“
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